Voice AI und die neue Art zu shoppen

Von Mischa Hammann

Wenn es um künstliche Intelligenz geht, sehen viele schwarz für die Zukunft unserer Zunft. Ich sehe lieber bunt. Denn die Möglichkeiten für Marketer sind schier unerschöpflich. Ein gutes Beispiel dafür findet sich in einem Artikel von Amit Sharma über Voice AI und seine Auswirkungen auf Marken- und Einkaufserlebnisse.

Amazon und Google beherrschen derzeit den Markt der sogenannten Smart Speaker – den meisten eher geläufig als Alexa oder Google Home. Wieviele Millionen dieser Geräte bereits in deutschsprachigen Haushalten stehen ist unklar, da sich die Hersteller mit präzisen Zahlen zurückhalten. Sicher ist aber, dass seit dem Markteintritt von Google und der damit einhergehenden massiven Produktwerbung die Verkaufszahlen der smarten Lautsprecher im Jahr 2017 explodierten. Und 2018 treten mit Samsung und seinem Smart Speaker sowie Apple mit dem HomePod zwei weitere Technologie-Schwergewichte in den Ring. Und die werden ebenfalls nicht kleckern, wenn es um die Eroberung dieses vielversprechenden Marktes geht.

In den USA kauft bereits jeder dritte Smart Speaker Besitzer über sein Gerät ein. Tendenz steigend.

Mit der Masse an Geräten, die sich im Alltag der Verbraucher einnisten und intelligenter KI-Technologie dahinter wird sich die Art und Weise, wie Marken und Verbraucher interagieren verändern. Ein Blick über den Ozean gibt dabei erste Anhaltspunkte, wo auch bei uns die Reise hingehen wird: Laut einer Studie kaufen dort bereits 29 Prozent aller Besitzer einer Alexa, Echo oder Google Home über die Spracherkennung ein. 41 Prozent planen dies zukünftig zu tun. Amit Sharma erwartet, dass diese Zahlen dramatisch ansteigen werden, sobald „predictive retail“ – also Verkäufe, die auf Vorhersagen beruhen – Realität werden.

In den USA arbeitet Google bereits mit dem Supermarktriesen Walmart zusammen. Das bedeutet, dass Google die Einkaufshistorie der Walmart Kunden auslesen und über seine Geräte entsprechende Angebote machen kann. Google könnte so zum Beispiel zeitlich passend fragen: „Möchten Sie die Colgate Zahnpasta für 2,99 Euro nochmals kaufen?“ Oder Google könnte einem Kunden eine passende Aktion vorschlagen, etwa rabattierte Zahnseide. Das faszinierende daran: Ein Wort genügt als Antwort und schon ist eingekauft und das Problem gelöst.

Dass sprachaktiviertes Einkaufen viele Herausforderungen mit sich bringt, verschweigt Sharma aber auch nicht. Die größte Herausforderung sieht er in der Sichtbarkeit der Marken und Produkte. Wie soll eine Marke den Weg ins heimische Ohr finden, wenn Alexa und Co. nicht danach gefragt werden? Solange es keine paid voice search gibt, bleiben vorläufig vermutlich nur die Empfehlungen von Amazon oder Google. Dennoch steht dem Einkaufen via Smart Speaker eine prächtige Zukunft bevor. Stimmen die Voraussetzungen ist es bequem, just in time und viel zu intuitiv als das die Menschen darauf verzichten werden.

Voice AI verändert Feedback, Retouren und Nachschubkäufe

Amit Sharma macht bereits für die nahe Zukunft drei Bereiche aus, in denen Voice AI für Marken und Shopping gravierende Veränderungen bringen wird: Feedback, Rücksendungen und Wiederholungs- bzw. Nachschubkäufe.

Feedback

Wie viele Kaufbewertungen haben Sie in den vergangenen Monaten abgegeben? Vermutlich nicht so viele, denn das ist oft ein aufwendiges Unterfangen und der Zeitpunkt ist sowieso immer unpassend. Wie aber würden Sie reagieren, wenn Sie jemand fragt: „Hey wie findest du deine neue Jack Wolfskin Jacke auf einer Skala von 1 bis 5?“ Oder „Passen dir die neuen Schuhe gut?“. Eine schnelle Antwort tut nicht weh und kostet keine Zeit, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt gestellt wird. Und: sie zahlt sich aus. Denn ich werde zukünftig von den selbstlernenden Wesen bessere Vorschläge erhalten, wenn ich solche Fragen eben kurz beantworte. Diesen Umstand können sich Marken zunutze machen – vor allem zu einem Zeitpunkt, wo Voice AI noch ein sehr junges und unbestelltes Feld ist.

Rücksendungen

Als ein weiteres spannendes Feld nennt der Autor den Umtausch- bzw. Retourenprozess. Klar, je mehr Menschen einkaufen, desto mehr wird auch zurückgeschickt. Und über den Sprachassistenten können Marken einen Teil des Retourenprozesses automatisieren und dabei sogar positive Markenerlebnisse schaffen. Denn laut einer weiteren Studie so Sharma, kaufen 95 Prozent der Kunden, die mit dem Rückgabeprozess zufrieden sind, erneut bei der Marke ein.

Stellen Sie sich vor, Sie bestellen etwas und Ihr Smart Speaker erinnert Sie drei Tage nach der Zustellung daran, dass Sie die Ware – wenn Sie unzufrieden sind – noch zurückschicken können. Gleichzeitig bietet er Ihnen an, die Rückgabefrist zu verlängern, wenn es gerade zeitlich nicht passt. Welch ein toller Markenservice! Und mehr noch: Alexa oder Google Assistent fragen Sie danach, welche Artikel Sie warum zurückschicken und mailt Ihnen anschließend das fertig ausgefüllte Retouren-Formular. Wer würde dieses Markenerlebnis nicht als positiv bezeichnen, und das, obwohl er etwas zurückgibt?

Nachschubkäufe

Zuletzt prophezeit Amit Sharma den Nachschubkäufen eine goldene Zukunft durch Voice AI, da Marken dabei recht sicher sein können, nicht zu stören. Wenn ein Kunde beispielsweise Windeln gekauft hat, liegt es doch nahe, ihn freundlich zu fragen, ob er Nachschub benötigt, wenn der Zeitpunkt stimmt. Kunden allerdings ungefragt massenhaft mit Werbung zu bombardieren scheint dem Autor zurecht ein wenig erfolgversprechendes Modell für diesen Kommunikationskanal zu sein. Zu direkt und zu empfindlich sei dieser Kanal dafür.

Voice AI schafft kurzfristig Veränderungen mit nachhaltiger Wirkung

Technologien zur Spracherkennung und -verarbeitung werden die Marketinglandschaft verändern. Und Amazon, Google und Co. werden erneut die Art, wie wir einkaufen, umkrempeln. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser Prozess langsam anbahnen wird. Amit Sharma geht davon aus, dass diese Veränderungen sehr schnell in unserem Alltag sichtbar bzw. hörbar sein wird. Die Marketing- und Kommunikationsspezialisten der Unternehmen und Agenturen sollten sich daher bereits heute Gedanken machen, wie sie diese Entwicklung für ihre Marke und ihre Produkte nutzen können. Denn sicher ist: Die Effekte, die intelligente sprachgesteuerte Mitbewohner auf die Erwartungen, Kaufgewohnheiten und Markenerlebnisse haben werden, bleiben.